Emil Ruder: sur l’exposition Graphic 57

Un article par Emil Ruder, paru dans la revue Werk (WERK-Chronik Nr. 8 1957), offrant un compte-rendu de l’exposition Graphic 57, qui se déroule à Lausanne en juin 1957. C’est à cette occasion que sont présentées pour la première fois les fontes Univers et Neue Haas Grotesk (qui deviendra Helvetica).

Graphic 57

Internationale Ausstellung der graphischen Industrien

1. bis 16. Juni

Die jährlichen graphischen Fachmessen, an denen sich die Fachwelt abwechselnd in Paris, London, Düsseldorf und Lausanne trifft, zeigen vorwiegend die technischen Entwicklungen, welche das graphische Gewerbe wandeln: Neuheiten im Druckmaschinenbau, der Beginn der Automation und Elektronik im Setzmaschinenbau und in der Druckstock- Herstellung. Es ist nicht verwunderlich, daß neben diesen zum Teil revolutionären Entwicklungen die Gebiete des Schriftschaffens, der Typographie und der Graphik eher etwas in den Hintergrund des Geschehens gewiesen werden.

Das künstlerische Ereignis der Graphic 57 in Lausanne war die Plakatschau «De Lautrec à Cassandre». Unter den 471 aus den Beständen des Kunstgewerbemuseums Zürich ausgesuchten Plakaten waren selbst dem Kenner der Materie zahlreiche überraschungen beschieden. Nebst den durch Publikationen bekannten und immer wieder in Ausstellungen zu sehenden Werken von Lautrec, Steinlen und Cassandre notierten wir ein Plakat der Librairie Fisher Unwin, London, von Beardsley, 1895, das Zermatt-Plakat von Emile Cardinaux, 1908, welches uns die heutige Degeneriertheit der Fremdenverkehrs-Werbung schmerzhaft bewußt werden läßt, und vor allem ein kaum bekanntes Meisterwerk, das Plakat des Bal des Petits Lits Blancs der Pariser Opéra von Marie Laurencin, 1931. Lebhaft wäre zu wünschen, daß diese Schau dauernd zugänglich gemacht würde, als Mahnung und Korrektiv für den Graphiker, der seine künstlerische und kulturelle Position so oft gegen kommerzielle Zumutungen verteidigen muß.

Die AGI (Alliance Graphique Internationale) zeigte Arbeiten ihrer Mitglieder in einer Sonderschau. Die 1952 gegründete Alliance zählt Mitglieder aus der Schweiz, Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, England, Holland, Italien, Polen, Schweden, USA und Japan. Diese Schau, die entschieden an einer überfülle von Material litt, hinterließ keinen durchaus positiven Eindruck. Wohl für viele Besucher überraschend war das hohe Niveau der Arbeiten von polnischen und japanischen Graphikern. Im Gesamten schien uns das Routinierte und Geschickte etwas zu breit vertreten.

Die Ausstellergruppe der Schweizerischen Papierindustrie zeigte in einer sehr schön gestalteten Schau (Graphiker: Gottfried Honegger-Lavater und Carl B. Graf) Dokumente aus der Zentralbibliothek in Zürich, welche Geschichte und Aufgaben des Papiers erhellten. Der begleitende Prospekt in schlankem Format und schön gesetzt ist ein kulturhistorisch interessantes Werkchen von bleibendem Wert.

Im Schriftschaffen schweizerischer und ausländischer Schriftgießereien ist eine Tendenz zu Groteskschriften im Sinne der Akzidenzgrotesk festzustellen. Der Schweizer Graphiker mit seiner Vorliebe für ältere Groteskschnitte (Berthold-Grotesk, Mono-Grotesk) beeinflußt sichtbar die Schriftplanungen der Gießereien. Die Haas’sche Schriftgießerei in Münchenstein zeigte Probegrade einer neuen Akzidenzgrotesk, die Bauersche Schriftgießerei in Frankfurt am Main führte einen Probegrad einer «Folio»-Grotesk vor. Die Linotype-Gesellschaft kündigte die übernahme der Berthold-Grotesk auf Linotype-Matrizen an.

Der Schweizer Schriftkünstler Adrian Frutiger, ehemals Schüler von Alfred Willimann und Walter Käch, seit Jahren in den Ateliers der Fonderie Deberny et Peignot, Paris, tätig, schuf eine neue Grotesk, die «Univers». Diese Schrift, ursprünglich für die Lichtsetzmaschine «Lumitype» entworfen, wird nun ebenfalls als Handsatztype gegossen. Von der gründlichen Arbeit Frutigers ist man umso mehr erfreut, als man sich bewußt ist, wie das Schriftschaffen unserer Zeit oft auf eine fatale Weise mit dem Sensationsbedürfnis und den Modelaunen parallel läuft. Auf die Realisierung eines Vorhabens von diesem Umfang (21 Schnitte derselben Schrift), das den Durchhaltewillen von Entwerfer und Betrieb auf eine harte Probe stellt, wagten wir kaum mehr zu hoffen. Anstelle eines sturen Konstruktionsprinzips ist in den Schriftformen ein reiches Spiel von optischen Korrekturen und Differenzierungen tätig. Eine zweite Schrift von Frutiger, die «Meridien», ist in Vorbereitung. Es ist dies eine Mediaeval-Type von straffen Formen, in denen die Gravurtechnik deutlich sichtbar wird. Das Schriftschaffen Frutigers ist auf eine erfreuliche Weise auf Wesentlichem aufgebaut und bedeutet eine seltene Synthese von formalen und technischen Fragen.

Dem Besucher graphischer Messen zeigt sich eine nicht zu übersehende Diskrepanz zwischen technischen und formalen Dingen. Die allerneuesten elektronischen Geräte zum Bohren von Klischees produzieren vor den Augen der Besucher Bilder von einer lächerlichen formalen Rückständigkeit. In einer Flut von Druckerzeugnissen sucht man oft verzweifelt nach Arbeiten mit formaler Haltung. Lausanne war hier keine Ausnahme. Gerade die Plakatschau «De Lautrec à Cassandre» sollte gezeigt haben, wie die Perfektionierung der vervielfältigenden Techniken von formalem Rückschritt begleitet sein kann.

Emil Ruder


Source PDF: wbw-002_1957_44__2003_d

Emil Ruder, TM-RSI 4.2014

En début 2015 est paru l’ultime numéro de la célèbre revue TM-RSI (voir l’historique sur wikipédia).

La revue était éditée depuis 91 ans pour la partie RSI (Revue suisse de l’imprimerie, fondée en 1923), depuis 81 ans pour les TM (Typografische Monatsblätter).

Ce dernier numéro 4/2014 est consacré à Emil Ruder, à l’occasion du centenaire de sa naissance.

TM-RSI-2014-04-Emil-Ruder (PDF, 15 Mb)